Wissenschaft / Studien

Augenmessungen könnten zukünftig MRTs für MS-Prognose ergänzen

Foto eines linken menschlichen Auges.

Bild: Rudy and Peter Skitterians/Pixabay

Die Einschätzung über den Schweregrad der MS ist wesentlich für die Wahl der adäquaten Therapiemaßnahmen, kann aber mit den aktuell zur Verfügung stehenden Methoden nicht verlässlich getroffen werden. Eine im August 2022 im Fachjournal Neurology publizierte Studie der MedUni Wien zeigt nun, dass die Netzhaut des Auges als Prognosemarker herangezogen werden kann: Die Analysen ergaben, dass der Verlust an Netzhautschichtdicke in Folge eines MS-Schubes die Schwere von künftigen Schüben und damit die Wahrscheinlichkeit einer Behinderung vorhersagt.

Im Rahmen der Studie wurden 167 MS-Patient*innen über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren untersucht. Dabei gingen die Forschenden von der Hypothese aus, dass schubbedingte Schäden an der Netzhaut des Auges das Ausmaß der Schäden im Gehirn widerspiegeln. Wie die wissenschaftlichen Analysen bestätigten, bedeutet etwa der Verlust von 5 Mikrometer Netzhautschichtdicke nach einer Sehnerventzündung eine Verdopplung des Risikos für eine bleibende Behinderung nach dem nächsten Schub. Diese Voraussagen könnten künftig als Basis für Therapieentscheidungen herangezogen werden: Die Studienergebnisse weisen darauf hin, dass bei hohem Verlust an Netzhautschichtdicke intensivere Therapiemaßnahmen indiziert sind als bei geringeren Abnahmen.

Prognoseverfahren OCT

Die Netzhautschichtdicke wurde von den Forschenden mittels optischer Kohärenztomographie (OCT) gemessen. Das ist eine bildgebende Methode, bei der mit Infrarotlicht hochauflösende dreidimensionale Bilder von sehr dünnen Gewebeschichten im Mikrometerbereich (1 Mikrometer = 1 Tausendstel Millimeter) erstellt werden können. OCT wird unter anderem bei Augenerkrankungen wie dem Glaukom bereits als Instrument zur Diagnose und Verlaufsbeurteilung eingesetzt. „Somit steht uns das Verfahren zur Verlaufsprognose von MS bereits jetzt zur Verfügung“, betont Gabriel Bsteh, Erstautor der Studie, und ergänzt: „Wie wir im Zuge unserer klinischen Studie festgestellt haben, sollten die Messungen bei Erstdiagnose, unmittelbar zum Zeitpunkt der MS-Schub-Sehnerventzündung und sechs Monate danach durchgeführt werden.“ Da Vorhersagen über den Krankheitsverlauf bei MS wichtig für die Wahl der adäquaten Therapiemaßnahmen sind, ist die medizinische Forschung schon länger auf der Suche nach verlässlichen Prognosetools. „Mit der Netzhautschichtdicke haben wir einen neuen Biomarker identifiziert, der gleichsam ein Fenster zum Gehirn darstellt“, fasst Gabriel Bsteh die Essenz der Studie zusammen. Sollten sich die Ergebnisse in größer angelegten Folgestudien bestätigen, könnte das Verfahren auch in der klinischen Routine angewandt werden.

Zur Studie auf der Website von Neurology

Quelle: MedUni Wien, 10.08.2022

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